Ruhetagsgesetz (RTG)
Votum von Marcel Wittwer an der Grossratssitzung vom 18.12.2024.
Wir sprechen in diesem Geschäft über Ruhe-Tage. Es geht also um Ruhe. Oft fängt es bei den Begriffen an. Das zu beratende Geschäft ist ein Geschäft um Lärm, das Gesetz heisst jedoch Ruhetagsgesetz. Schon etwas merkwürdig. Der Mensch braucht Ruhe. Ruhe ist immer wieder Gegenstand von Diskussionen, das letzte Mal, als wir über Tempo 30 gesprochen hatten. Der Kuh wird teilweise die Glocke abgenommen, die Kirche soll weniger läuten, der krähende Hahn ist ein Unding. Auf der einen Seite fördert man Ruhe in nahezu jedem kleinsten Detail, auf der anderen Seite hebt man bestehende Ruhe wie vorliegend grosszügig auf.
Worüber sprechen wir insbesondere? Wir reden über die hohen Feiertage, über Weihnachten, Jesus Christus wird geboren, über Karfreitag, Jesus Christus stirbt für die Menschen, über Ostersonntag, die Auferstehung Jesu Christi, über Pfingstsonntag, die Ausgiessung des Heiligen Geistes und über den eidgenössischen Dank-, Buss- und Bettag. Wir sprechen also vorwiegend über die zentralen und begründenden Ereignisse des Christentums. Wir sprechen über die Pfeiler dessen, weshalb wir hier heute überhaupt in demokratischer Form über ein Geschäft beraten. Ob es uns passt oder nicht: Ohne Christentum keine christliche und keine freie Schweiz.
Jeder, dem die christlich-abendländische Kultur lieb ist, wird sich fragen müssen, ob es sinnvoll ist, die prägenden Gedenktage zu verweltlichen. Das Veranstaltungsverbot wird im Grundsatz weiterbestehen, nur eben nicht mehr absolut. Obwohl dieser Grundsatz keiner ist und nur darüber hinwegtäuschen will, dass eine Veranstaltungsfreiheit bis 500 eingeführt werden soll. Auch das eine manipulative Begriffsverwendung. Ich kann die Anzahl Veranstaltungen mit mehr als 500 Besuchern, die ich die letzten Jahre besucht habe, an ein paar wenigen Händen abzählen. 500 sind viele Leute. Die Frage stellt sich, wieso die Aufweichung überhaupt nötig ist.
An 360 weiteren Tagen besteht kein grundsätzliches Veranstaltungsverbot. Wer wird daran gehindert, an einem dieser Tage eine Veranstaltung durchzuführen? Das Freiheitsargument, jeder soll machen, was er will, läuft ins Leere. Es kann nur so gedeutet werden, dass die christlichen Feiertage, die in ihrer historisch-kulturellen Bedeutung weit über das hinaus gehen, was wir uns vorstellen können, geschwächt werden sollen.
Selbstverständlich ist unter Anrufung des Zeitgeistes die Salamitaktik vorprogrammiert. Es ist doch verrückt, wie wir unsere eigene Kultur Stück für Stück aufgeben und alles Kulturfremde fördern wir, wo es nur geht. Natürlich kann man sich auf den Wertewandel berufen, nur ändert das nichts an der verheerenden Wirkung der schrittweisen Selbstaufgabe.
Es gibt nebst den religiös-kulturellen Motiven aber auch weitere Gründe, die gegen die Revision sprechen. Nicht jeder hat viel am Hut mit diesen Tagen, das versteht sich in einer säkularen Gesellschaft von selbst. Auch die Nichtreligiösen sollten sich fragen, ob es sinnvoll ist, institutionell gewachsene Pausen über Bord zu werfen. Überall kann man von Entschleunigung und erhöhter Achtsamkeit für das eigene Wohlbefinden lesen. Was wir hier machen, ist das Gegenteil davon. Bei Veranstaltungen bis zu 500 ist lokal mit einem erheblichen Mehrverkehr zu rechnen. Das sollte doch Umweltschützern ein Dorn im Auge sein, die gerne für autofreie Tage werben. Veranstaltungen bedeutet Betriebsamkeit, Arbeit. Wo sind die Arbeitnehmerschützer? Das Ruhetagsgesetz ist ein Arbeitnehmerschutzgesetz. Wo sind die Familienpolitiker, die das traditionelle Familientreffen an hohen Feiertagen schützen?
Es gibt keinen Grund, das Veranstaltungsverbot zu lockern, aber es gibt etliche Gründe, die Lockerung abzulehnen. Die Vermutung liegt nahe, dass es darum geht, die christliche Leitkultur zu schwächen. Dem stellen wir uns vehement entgegen. Die formellen Teile der Revision sind nicht das Problem, das Kernstück der Revision ist die Lockerung des Veranstaltungsverbots. Das lehnen wir ab.
«Viel Lärm um Ruhetage»
Die Thurgauer Zeitung berichtet zur Debatte über die Totalrevision des Ruhetagsgesetzes.